Onboarding.
Von der Mitarbeiterfindung zur Mitarbeiterbindung
Jetzt ist er endlich da: der neue Mitarbeiter. Sie haben sich sehr bemüht ihn zu bekommen, Zeit und Geld in seine Auswahl investiert und vielleicht auch interne Auseinandersetzungen durchgestanden. Entsprechend hoch sind Erwartungen an den Neuen. Schnell soll er seine volle Arbeitsleistung erbringen. Die ersten Wochen scheinen gut zu laufen und Sie sind sich sicher, alles für eine gelungene Integration getan zu haben. Doch dann folgt plötzlich sein Offboarding: der Neue geht innerhalb der Probezeit. Was ist schiefgelaufen?
Frühes Offboarding: eine teure Angelegenheit
In Deutschland wurden 2017 zirka 8
Millionen (duplikatfreie) Stellenanzeigen für mehr als 2 Milliarden Euro geschaltet.
5% bis 10% der darüber eingestellten Mitarbeiter verlassen jedoch das
Unternehmen noch während der Probezeit. Anders gerechnet:
durchschnittlich scheiden bis zu 6 neu eingestellte Mitarbeiter in den ersten
drei Monaten aus einem Unternehmen wieder aus. Hinzu kommen noch diejenigen, die nach der Probezeit
und vor ihrem zweiten Jahr gehen. Viele
Unternehmen steuern Ihr Schiff mit Scheuklappenblick an ihren neuen
Mitarbeitern vorbei. Das zeigt auch die Haufe-Umfrage 2017 (http://www.haufe.de/umfrage): Mehr als 80% der Personalverantwortlichen
konstatierten einen Verbesserungsbedarf ihres Onboardings. Dieses Manko ist teuer -
materiell, sozial und ideell:
- Die Position ist wieder vakant.
- Die Kollegen sind irritiert, was wiederum zu Leistungsbremsen im gesamten Team führen kann.
- Das Ansehen der Auswahlbeteiligten ist beschädigt.
- Direkte und indirekte Kosten des Recruiting können in den Wind geschrieben werden.
- Die erwartete Performance des ausgeschiedenen Mitarbeiters wurde nicht erbracht, somit erreicht er seinen persönlichen Return on Investment (ROI) nicht.
- Er hat Kapazitäten des Unternehmens für die Einarbeitung gebunden, die verschwendet sind.
- Eventuell wird das Employer-Branding durch den von Bord Gegangenen geschädigt.
- er frühzeitig Ausgeschiedene geht mit einem Defiziterleben
Betrachtet
man die möglichen Gesamtkosten einer Fehlbesetzung, so liegen diese schnell bei
einem Mehrfachen des Jahresgehalts des soeben wieder Ausgeschiedenen, vor allem
wenn es sich um Leitungs- und Führungskräfte handelt.
Onboarding: mehr als „Welcome on Board“
Neue
Mitarbeiter zu integrieren verlangt mehr als Übergabe und Einführung in die
Tätigkeit und ein freundliches Willkommen, verbunden mit einem warmen Händedruck,
denn im Onboarding steckt eine Zwickmühle: Die neue Kraft soll zu dem
Unternehmen und seiner Kultur passen, gleichzeitig soll sie aber auch auf diese
Kultur verändernd einwirken, v.a. als Führungskraft. Um diese Zwickmühle zu
meistern, ist Anpassungs- (Akkommodation) und Einpassungsarbeit (Assimilation) von
beiden Seiten zu leisten. Das erfordert ein systematisches Onboarding im Sinne eines
Mitarbeiterintegrationskonzepts mit dem Ziel, nachhaltiges
Mitarbeiter-Commitment zu erlangen. Das heißt, daß der Mitarbeiter verbindlich
„ja“ sagt zu seiner Aufgabe, zu seinem kollegialen Umfeld, zur Organisation und
zum Unternehmen. Kommt es nicht zu diesem Commitment oder läßt diese
Verbindlichkeit nach, drohen Mitarbeiter-Enrolement (es wird nur eine Rolle gespielt)
oder bloße Mitarbeiter-Compliance (man verhält sich gerade mal regelkonform).
Mit Zunahme dieser Unverbindlichkeit geht ein deutliches Nachlassen der Performance
einher, gefolgt von einem inneren Offboarding. Wie aber erreicht man ein
verlässliches Mitarbeiter-Commitment?
Commitment: worauf es ankommt
Commitment ist eine Motivationsfrage:
Was kann den Neuen bewegen, sich mit seiner Aufgabe und dem Unternehmen zu
verbinden? Drei Beweggründe (Motive)
stehen im Vordergrund: (1) Der Mitarbeiter rechnet sich aus, daß er in diesem
Unternehmen bessergestellt ist als bei einem Wechsel (kalkulatorisches Motiv); (2)
er fühlt sich wohl und sozial gut eingebunden (emotionales Motiv); (3) er erlebt
eine hohe Übereinstimmung zwischen seinen und den Werten des Unternehmens (ethisches
Motiv). In diesen drei Motiven steckt die Erwartung,
daß zentrale Bedürfnisse befriedigt
werden wie: Sicherheit, Selbstwirksamkeit, Anerkennung, Selbstentfaltung. Je
fester ein Mitarbeiter überzeugt ist, daß in einem Unternehmen seine bedürfnisbezogenen
Erwartungen nicht enttäuscht werden, desto fester und belastbarer wird seine
motivationale Bindung an das Unternehmen sein. Für ein erfolgreiches Onboarding
ist es wichtig zu wissen, welche Bedingungen
diese Erwartungen erfüllen.
Und da kommt das Individuelle ins Spiel. Welche
bedürfnisbezogenen Erwartungen in welcher
Situation im Vordergrund stehen und welche Bedingungen ausschlaggebend sind,
diese Erwartungen als erfüllt anzusehen, ist von Mitarbeiter zu Mitarbeiter
verschieden. Der Eine ist stark
sicherheitsorientiert und bevorzugt bzgl. seiner Aufgaben weit vorausgehende
Planung mit festgelegten Arbeitsabläufen und Strukturen. Dafür verzichtet er
gerne auf Entscheidungsbeteiligung und finanzielle Zusatzanerkennung. Ein Anderer liebt generell das
Unvorhergesehene und die Herausforderung, sich darin selbständig zurecht zu
finden. Er übernimmt dafür die Verantwortung und erlebt eine hohe
Selbstwirksamkeit, auch wenn sich das nicht in der Gratifikation und in
Benefits niederschlägt. Einem Dritten
ist es wichtig, daß sein Engagement durch Lob und wertschätzende Zuwendung
anerkannt wird und daß eine persönliche Atmosphäre herrscht. Im Gegenzug nimmt er
eine geringere Bezahlung und die Unsicherheit des Arbeitsplatzes in einem
kleineren Unternehmen in Kauf. Nicht zu vergessen sind die unterschiedlichen
Bedürfnisse der Generationen X (Golf-Generation, ca. 1965-1985), Y (Millenials,
ca. 1980-2000), Z (digital natives, ca. 1995-2010).
Viele dieser bedürfnisbezogenen
Erwartungen sind uns gar nicht recht bewußt, manche wollen wir uns nicht
eingestehen oder vor anderen verbergen und von den bewußten sind einige bloß aufgesetzt.
Jedoch bestimmt die Erfüllung dieser unbewußten, verborgenen, sprich impliziten
Erwartungen zu mehr als ⅔ das Mitarbeiter-Commitment. Das Hauptgeschäft,
nachhaltiges Mitarbeiter-Commitment zu erzielen, ist also die wiederholte Klärung und Abstimmung dieser impliziten
Erwartungen. Dazu reicht das einfache Erkunden in einem üblichen
Mitarbeitergespräch in der Regel nicht aus, weil es primär nur rationale,
bewußte sowie selbst eingestandene Erwartungen und Motive anspricht. Vielmehr
bedarf es psychologischer Gesprächsverfahren seitens des Personal- bzw.
Onboardingverantwortlichen. An dieser Stelle kann es empfehlenswert sein, sich
eines Onboarding-Coaches zu bedienen.
Der Onboarding-Coach
Der Onboarding-Coach ist Gesprächs- und Sparringpartner für den neuen Mitarbeiter und das Unternehmen (Unternehmensführung/Vorgesetzte/Teams). Sein Einsatz erfolgt ab Vertragsunterschrift, spätestens ab dem 1. Arbeitstag. Er exploriert, expliziert, konkretisiert die gegenseitigen Erwartungen und die Bedingungen ihrer Erfüllung, organisiert die dafür notwendigen Maßnahmen, klärt rechtzeitig mögliche Konflikte, vermittelt differierende Positionen und interveniert mit verschiedenen Methoden, um den Integrationsprozess zügig voranzubringen. Diese Aufgaben können einem externen oder einem internen Coach übertragen werden. Letzteres ähnelt dem Buddy-, Paten- oder Metnorensystem. Manche Firmen setzen bis zu drei Buddies (Kameraden/Kumpane) für den neuen Mitarbeiter ein: Leader Buddy (leitet das Buddysystem und die Kommunikation), Role Buddy (hilft dem Neuen, seine Rolle einzunehmen), Culture Buddy (vermittelt die Unternehmenskultur). Egal ob und wieviele Buddies eingesetzt werden, alle vier Onboarding-Bereiche müssen abgedeckt werden: der fachliche, organisatorische, soziale und ethische. Bei Bedarf organisiert der externe Coach auch die klassischen Phasen des Onboardings.
Onboarding: die Phasen
Es gibt keine zweite Chance für
den ersten Eindruck. Ein guter Start ist für neue Mitarbeiter und das
Unternehmen gleichermaßen wichtig. Deshalb sind die Erfahrungen am ersten Arbeitstag, dem eigentlichen
Onboardingstart, von so großer Bedeutung. Sie können alles Weitere überleuchten
oder überschatten. Zentral sind: Willkommensempfang, Ansprechpartner vorstellen, in vorbereiteten Arbeitsplatz und
Hilfsmittel einweisen, Erwartungen und erste Aufgaben besprechen,
Teamvorstellung, Firmenüberblick und Ausblick auf den Folgetag und die nächsten
Wochen geben, Sicherheits- und Rechtsfragen klären, mit Feedbackrunde (Wie
war’s?) den Tag abschließen.
Weitere Phasen mit unterschiedlichen Inhalten sind: die erste
Arbeitswoche, der erste Monat, das erste Vierteljahr, vor Ende der Probezeit.
Nach dem Onboarding ist vor dem Onboarding
Ist die Probezeit erfolgreich
verlaufen, der Neue übernommen und ein gutes Commitment hergestellt, so ist das bei weitem kein stabiler Zustand, um den man sich nicht mehr kümmern muß. Im
Gegenteil. Die Verbundenheit des Mitarbeiters mit dem Unternehmen wird immer wieder auf die Probe gestellt:
durch sich verändernde berufliche und private Bedingungen, durch Monotonie und
ausbleibende Veränderungen, durch veränderte Bedürfnisse und Erwartungen auf
beiden Seiten. Eine gute Mitarbeiter-Unternehmensbeziehung muß fortlaufend
aktualisiert werden, sonst ist es wie in vielen Ehen: nach dem Flirt und der Hoch-Zeit kommt der Fall in die
Entfremdung. Kontinuierliches Onboarding
als Mitarbeiterbindung ist dann Aufgabe von Führungskräften und
Personalverantwortlichen, welche die Kunst nachhaltiger Mitarbeitermotivation beherrschen und nicht nur mit neuen Finessen
materieller Anreizsystem operieren.
Zum Autor:
J.Christopher
Kübler ist Klinischer Psychologe, HP für Psychotherapie
(www.i-Thera.de), Betriebswirt, Coach und Unternehmensberater mit 30-jähriger
Berufspraxis (www.SmaSpi.com), auch langjährig als Führungskraft. Seine
Arbeitsschwerpunkte liegen im Betrieblichen
Gesundheitsmanagement (Beurteilung psychischer Gesundheitsgefährdung,
Reduktion von Fehlzeiten, psychische Gesundheitsförderung:Resilienztraining, Stressmanagement, Emotionsregulation), im Changemanagement
(nutzen und lösen von Veränderungsblockaden), in Mitarbeitermotivation und -bindung (von Onboarding bis Boomerang Hiring).
(Bildquellen: Pixabay Freie Bilder https://pixabay.com/)
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